Ich fliege demnächst mit meiner fast fünfjährigen Wiener Tochter wieder einmal nach Belgien. Der ausdrückliche Wunsch kommt von ihr. Nicht schlecht für eine Fünfjährige… „Papa, wir müssen unbedingt wieder einmal nach Belgien.“ Okay, denke ich mir, das kostet mich einen Haufen Geld, und da meine ich noch nicht einmal alles, was wir für den belgischen Teil der Familie aus Wien mitnehmen wollen, sondern vor allem das, was wir aus Gent zurück nach Hause schleppen wollen. Eine Flasche Duvel kostet in diesem einen Laden in Wien, der sie im Regal stehen hat, schon leicht einmal sechs Euro. Aber gut, Kontakt mit dem Heimatland ist wichtig, körperliche Anwesenheit noch mehr.
Als meine Tochter geboren wurde, haben wir von der gesetzlichen Freiheit in Österreich Gebrauch gemacht, ihr den Familiennamen ihrer Mutter zu geben. Der ist nämlich kürzer, klingt österreichischer als ‚Verschueren‘ und für mich war es ein ausdrückliches Zeichen der Emanzipation, bei dieser Geschichte mitzumachen. Denn ein Leben lang deinen flämischen Namen in Österreich buchstabieren zu müssen, ist etwas, das – wenn möglich – vermieden werden muss. Ich musste mich zwar erst daran gewöhnen und zweimal schlucken, auch der Stammbaum sieht etwas anders aus, aber auch damit lernt ein Flame leben. Für mich trägt sie meinen Namen, auch wenn das offiziell nicht so ist, ich denke darüber eigentlich nicht mehr so oft nach.
Da meine Tochter die doppelte Staatsbürgerschaft hat, habe ich am Tag nach ihrer Geburt bei unserer Botschaft in Wien für sie einen belgischen Reisepass beantragt. Freundliche Leute sind das, das muss einmal gesagt sein. Dazu gehört dann ein Foto (von einem unerkennbaren schlafenden Baby), und das Dokument ist teuer, aber fünf Jahre gültig (kein Mensch würde sie nach ein paar Wochen darauf noch erkennen), also alles in Ordnung. Sollte man meinen.
Check-in in Wien Schwechat International Airport, SkyEurope, Grundpreis für den Flug okay, aber mit Steuern und Versicherung, Gepäckzuschlag, Buggy und Sitzplatzwahl letztendlich auch nicht zum Lachen und schon gar nicht berauschend.
Meine Tochter steht mit erworbenem flämischem Stolz und angeborener österreichischer Sturheit am Check-in-Schalter und legt ihren bordeauxroten Pass und die Online-Reservierung vor, sie will es so, also lassen wir es geschehen.
„Ist das dein Papa?“
Sie sieht mich verzweifelt an, ich sehe sie zögern, obwohl wir das oft genug geübt haben. „Ja“, sagt sie etwas zu langsam für den Geschmack der jungen Dame hinter dem Schalter.
„Und Sie können das beweisen, nehme ich an?“ Sie blickt mir streng in die Augen.
Ich fühle mich plötzlich als Entführer meiner eigenen Tochter. Schlagzeilen und Verfolgungsjagden, Fingerabdrücke und DNA-Tests, ich sehe es, als ob ich es selbst geplant hätte. Ich habe Verständnis dafür, das ist es nicht, es laufen schließlich tatsächlich jede Menge dubiose Menschen herum. Aber ich?
Und dann fand ich ihn, den achtmal gefalteten Vaterschaftsnachweis mit allen Stempeln und Unterschriften, die so ein Dokument anscheinend braucht, hinten in meinem Reisepass, und er stellte die Dame von SkyEurope sofort zufrieden. Wir durften problemlos weiter, Bordkarte in der Hand.
Was sie sicher nicht gelesen hat, war der kleine Text unten auf dem Dokument. Ich hätte es bei der Anzeige der Geburt meiner Tochter am Standesamt auch beinahe übersehen. Im Feld, in dem die liebe Mutter meiner Tochter unterschreiben und bestätigen musste, dass ich der Vater bin, steht in einigen wenigen Sätzen, dass sie ein Jahr Zeit hat, das Dokument zu widerrufen.
Die Mutter darf die Vaterschaft widerrufen. Der Vater nicht! Emanzipation hat ihren Preis.
Ein Jahr Zeit hat der österreichische Staat ihr gegeben, zu erklären, dass sie daran zweifelt oder felsenfest davon überzeugt ist, dass der angegebene Vater auch tatsächlich der Vater ist.
Es gibt kein Feld für mich. Ich kann nicht zurück zum Standesamt gehen und sagen: „Ich bin nicht der Vater“, denn diese Möglichkeit existiert nicht. Die Mutter weiß doch besser als jeder andere, mit wem sie sich rund um das Datum der Empfängnis vergnügt hat… also… Väter müssen warten. Ein ganzes Jahr lang. Ein sehr langes Jahr.
Wenn wir wieder zurück in Wien sind, gehe ich sofort zur Botschaft. Ich muss so schnell wie möglich meine beiden Kinder in meinen Reisepass eintragen lassen. Mit Vaterschaftsnachweis natürlich, sonst wirkt man als Vater von Kindern, die den Namen ihrer Mutter tragen, in Österreich etwas dämlich. Ich habe inzwischen auch bereits eine Antwort von der Botschaft auf meine Frage, wann ich vorbeikommen kann, erhalten. Ich kann jederzeit kommen, aber nicht, um meine Kinder in den Reisepass eintragen zu lassen, weil das nicht möglich ist. Ich lebe nach Ansicht des rechtskatholischen Österreichs schließlich in Sünde (zusammen mit einer Frau, aber unverheiratet). Wie meine Kinder bezeichnet werden, will ich gar nicht wissen. Sie tragen den Familiennamen ihrer Mutter, nach dem österreichischen Gesetz muss ich mich mein ganzes Leben lang jedes Mal aufs Neue als Vater meiner Kinder legitimieren, mit einem Stückchen Papier, bei dem inzwischen zumindest glücklicherweise die Frist für die Widerrufung der Vaterschaft abgelaufen ist. Die liebe Mutter meiner Kinder schrieb in das Feld: „Er ist der Vater und aus!!!“