Maandelijks archief: juli 2009

Die Gegenfrage

Ich bin auf der Suche nach einer Erklärung für ein Phänomen, das ich hier bei Freunden festgestellt habe. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht typisch österreichisch ist. Sie helfen mir sicher dabei, das herauszufinden.

Angenommen, Sie kochen Spaghetti. Die Sauce dürfen Sie selbst aussuchen, sie ist für diese Geschichte irrelevant. Sie stehen am Herd und sinnieren über dem kochenden Wasser, rühren ab und zu die Nudeln um, als plötzlich Ihre Partnerin oder Ihr Partner hereinkommt. Sie sagen, dass Sie kurz noch etwas anderes tun müssen, und fragen, ob er/sie auf die Spaghetti achtgeben könnte. Kommt die Frage: „Wie lange sind die Nudeln schon im Wasser?“

Hätten Sie nicht – so wie ich – die Frage erwartet: „In wie viel Minuten müssen die Nudeln abgeseiht werden?“ Oder: „Wann sind die Spaghetti fertig?“

Jemand, der erstere Frage stellt, muss noch schnell rechnen. Der zweite Typ von Antwort erfordert nur einen Blick auf die Uhr, und schon ist alles klar.

Dieses Beispiel ist natürlich nur ein Fingerzeig, das werden Sie verstanden haben. Ich gebe noch eines. Die Frau des Arztes ruft ihren Mann an und fragt, wann er zum Essen kommt. Der Arzt antwortet, dass er seinen letzten Patienten um halb sieben hat. Echte Kommunikation kann man dieses kurze Gespräch nicht nennen. Hätte die Frau gefragt, wann er seinen letzten Patienten hat, hätte er sicher geantwortet: „Warum?“ Es gibt Menschen, die ihre Fragen oder auch Antworten so formulieren, dass darauf eindeutig noch eine Frage folgen muss.

„Bist du heute Abend zu Hause?“ Ich antworte dann immer mit einer Gegenfrage: „Warum?“ Welche Relevanz hat es, ob ich heute Abend zu Hause bleibe? Das möchte ich doch gerne wissen? Es geht auch anders: „Solltest du heute Abend zu Hause sein, würde ich mit einer Freundin etwas trinken gehen.“ Bitte schön, klar und deutlich, kein Missverständnis möglich.

„Warst du schon im Supermarkt?“ Da versteckt sich doch noch eine andere Frage dahinter oder spüren Sie das nicht? „Solltest du noch nicht im Supermarkt gewesen sein, kannst du dann Windeln mitbringen?“ Die Frage ist nicht, ob jemand schon im Supermarkt war, sondern Windeln sind das Thema.

Warum interessieren sich manche Menschen – wie in meinem Spaghetti-Beispiel – für die Minuten, die schon vorbei sind, und nicht für die Minuten, die noch kommen werden? Warum nimmt der Arzt an, dass seine Frau selbst ausrechnen wird, wann er zu Hause sein wird, wenn sein letzter Patient um halb sieben kommt?

Ich habe einen kleinen Test gemacht. Ich habe meine ‚Kandidaten‘ mit geschlossenen Augen von 0 bis 60 Sekunden zählen lassen. Jene Personen, die ihre Fragen erfahrungsgemäß so formulierten, dass nur eine einzige Antwort notwendig war, ohne rechnen oder nachdenken zu müssen, zählten immer zu schnell. Die anderen brauchten immer viel länger als eine Minute, bevor sie meinten, fertig zu sein. Irgendwo geht Zeit verloren und werden überflüssige Fragen gestellt.

Ich bin mir sicher, dass Sie inzwischen bereits wissen, zu welcher Kategorie Sie gehören. Sie brauchen nur versuchen, mit geschlossenen Augen 60 Sekunden abzuzählen.

Ich muss das auf jeden Fall nächstes Mal auch in Gent austesten, oder Sie in Athen, Denpasar, Oslo, Paris…

 

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