…sogar meine ältere, und ich weiß, was das für sie bedeutet, ich habe es nach und nach erfahren. Es hat mit Entscheidungen zu tun, denn was hinter ihr liegt, wird langsam umfangreich genug, um sich die Frage zu stellen, wie es weitergehen soll. Einen Vater Mitte fünfzig beschäftigt das etwas weniger. Zwanzigjährige denken daran – warum auch immer – noch nicht.
Aber mit dreißig spürt man den Druck, woher er auch kommen mag, vielleicht am meisten von einem selbst, und man möchte Schritte setzen, Entscheidungen treffen, planen und weitermachen.
An ihr Geburtsjahr erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. China und die USA nehmen diplomatische Beziehungen auf. Pol Pot und die Roten Khmer werden von den vietnamesischen Truppen gestürzt und der Schah von Persien muss nach Ägypten fliehen. Santa Lucia erklärt seine Unabhängigkeit von Großbritannien und in Washington unterzeichnen Anwar as-Sadat, Menachem Begin und Jimmy Carter einen Friedensvertrag. Saddam Hussein wird irakischer Präsident. Israel und Ägypten unterzeichnen das Camp-David-Abkommen und John Wayne stirbt an Lungenkrebs, während Mutter Teresa den Friedensnobelpreis erhält.
Es ist das Jahr, in dem Margaret Thatcher als erste Frau Premierminister von Großbritannien wird und ‚Alien‘ die Kinos erobert. Die ersten ‚Walkmans‘ liegen in den Geschäften, während die Weltraumstation Skylab zurück zur Erde kommt. Die Sandinisten stürzen das Somoza-Regime in Argentinien, einen Monat später stirbt Lord Mountbatten bei einem Bombenanschlag der IRA in Sligo. Einen Tag später explodiert sogar eine IRA-Bombe auf dem Grand Place in Brüssel. Der NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig entgeht im selben Brüssel einem Anschlag der Baader-Meinhof-Gruppe. In Schweden dürfen Eltern ihre Kinder nicht mehr körperlich züchtigen, während zwei Familien aus Ostdeutschland mit einem Heißluftballon in den Westen flüchten.
Der Papst küsst als erster Papst US-amerikanischen Boden, Nelson Rockefeller stirbt an einem Herzinfarkt, übrigens nicht wegen des Papstes. Und für alle, die der Meinung waren, dass die Autobauer erst jetzt in der Krise sind: Chrysler bat die US-Regierung um 1 Milliarde Dollar Hilfe, um eine Insolvenz zu vermeiden. Die Geschichte wiederholt sich. Bokassa I. verschwindet von der Bildfläche, Panama bekommt den Panamakanal von den USA zurück und Namco bringt in Japan das Spiel Pac-Man auf den Markt. Rhodesien wird Zimbabwe und die erste europäische Ariane-Rakete wird vorgestellt.
Der Post-it-Notizblock wird erfunden und zweihunderttausend Menschen fordern beim ersten ‚Gay Rights March‘ in Washington das Ende der sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und gesetzlichen Unterdrückung von Schwulen und Lesben. Das machen sie heute auch noch. Überall, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Belgien hat in diesem Bereich eine Vorreiterrolle gespielt, Österreich beschloss die Homo-Ehe im Parlament erst Ende 2009. Aber immer noch mit einer von der christdemokratischen ÖVP aufgezwungenen Einschränkung: Es darf nicht im Standesamt geheiratet und gefeiert werden, das ist noch immer ein Hetero-Privileg, die offizielle Trauung findet in lokalen Ämtern statt. Adoption kommt nicht in Frage, künstliche Befruchtung ist verboten, keine Kinder für diese Menschen. Scheinheiliger Fortschritt.
Und ich erinnere mich an ihr Geburtsjahr, als wäre es gestern gewesen, weil das alles 1979 an mir vorbeigegangen ist. Denn meine Älteste wurde geboren. Was gibt es Weltbewegenderes für einen Vater als eine Tochter?
Ich wünsche ihr von Wien aus alles Gute zum Geburtstag. Mit der Botschaft, dass mir so einige vierzig- und sogar fünfzigjährige Frauen erzählt haben, dass der dreißigste Geburtstag gar nicht so schlimm ist.